Als ich zusammen mit ihm durch die engen Gassen von Algier dem Honigduft gelber Rosen nachrannte und uns erst auf den Hügeln über Algier die Luft ausging, blickten wir in die Nacht und liebten den Kosmos. Ein warmer Wind deckte zum letzten Mal die Bucht mit Sommer zu. Wolken rissen auf. Vater sah in den Himmel und lachte: »So viele Sterne. Und keiner von ihnen weiß, dass wir ihm einen Namen gegeben haben!«
Er hatte einen Namen, ohne zu wissen, woher. Oder von wem. Und ich hatte ihn, inmitten unserer Dunkelheit. Lichtjahre über uns verglühende Sonnen waren uns näher als wir selbst. Für einen Moment waren wir die reichsten Menschen der Welt. Wenn auch nur aus Trotz.
Ja.
So will ich es mir ausgedacht haben.
Das gilt.
Es ist zum Glück alles sinnlos, wenn man nur fühlt.
Verstehen wir uns nicht falsch, Gott, Du, ich bin nicht einer von denen. Bin nicht auf Dich sauer, wenn es mal nicht so läuft. Dafür bedanke ich mich auch nicht, wenn die Dinge funktionieren. Jeder bleibt in seiner Ecke und lässt den anderen in Ruhe. Halte das für fair. Ist ja nicht so, dass wir nichts besseres zu tun hätten.
Kannte mal Einen, der meinte, dass die Leute sich immer nur beschweren, wenn sie Pech haben. Weshalb gerade jetzt? Warum gerade sie? Doch nie kamen Fragen, wenn alles glatt ging. Womit ausgerechnet sie diesen Erfolg verdient hätten. War ein kluger alter Mann. Dieses Nachdenken – schon Wahnsinn. Auch wenn es manchmal weh tut.
Überhaupt, wozu wir alles in der Lage sind, Gott, Du, toll, oder? Das ganze Ding mit dem Internet zum Beispiel. Oder musizieren. Lieben. Das ist alles so viel größer als ich selbst. Schöner sowieso. Wird ja auch immer mehr mit der Zeit. Lernen ja auch dazu. Lässt uns flexibel bleiben. War schon schlau von Dir. Kann man wirklich nicht anders sagen.
Aber ich hab da trotzdem eine Frage, Gott, vielleicht kannst Du mir das beantworten. Wenn nicht, auch nicht schlimm. Ich weiß, das sind Fragen, die man immer wieder hört. Aber mir ist das noch nicht so ganz klar. Deshalb frag ich mal, dachte ich mir, Gott. Wie gesagt, mein ja nur.
Wir sind ja in der selben Position, Du und ich, irgendwie, so von Vater zu Vater, Gott, Du, stimmt doch? Wenn die Kinder aus dem Haus sind, ist es eh zu spät, der Zug abgefahren. Ist bis dahin noch nichts aus ihnen geworden, wird's schwer. Weißte ja selbst, wem erzähl ich das. Aber bis es soweit ist, Gott, und das wissen wir ja beide, Du sicher noch besser als ich, brauchen Kinder ja ein bisschen, wie sage ich das jetzt am besten, ohne das es komisch klingt?
Vielleicht so: Sie brauchen Führung.
Und Liebe.
Und Anleitung.
Ich meine, die, also wir, wissen doch überhaupt noch nicht, wo es lang geht, Gott, nicht wahr? Von mir aus auch einen Tritt in den Hintern. Also im übertragenen Sinn, Gott. Weißt ja, wie ich das meine.
Muss Du ja auch mal von der Seite der Fairness sehen. Ich kann ja dem Kind nicht vorwerfen, dass es ein Idiot ist, und es dann bestrafen, nur weil es etwas falsch gemacht hat, ohne dass ich mir recht drum gekümmert hätte. Denn meistens wissen die ja auch bloß nicht, was richtig und falsch ist. Woher denn auch. Müsste denen ja mal wer sagen. Meinetwegen auch mehrmals, wenn's sein muss.
Machen wir es kurz: Gott, sag mal, wo bist Du eigentlich?
Gerade jetzt so.
Ich meine, wir haben hier so ein paar Bücher rumliegen, da ist ziemlich oft die Rede von Dir. Und dem, was Du von uns so erwartest. Freiheit hin oder her. Aber sind wir doch mal ehrlich: Wenn ich nur 'nen Zettel auf den Tisch lege und mich dann nicht mehr blicken lasse, ist doch klar, dass das nix wird. Ist das deutlich genug, wie ich das meine, Gott? Oder?
Keine Idee? Komm schon, so schlau ist das nicht von mir. Und, Gott, wir sind hier ja unter uns, erfährt auch keiner weiter: Wenn wir denen dann die Füße aufpumpen, weil sie Mist gebaut haben? Bis in alle Ewigkeit? Ist das weise? Gütig? Oder gar: gerecht? Sag mal. Also mir kommt das nämlich nicht so vor. Deshalb wollte ich mal nachfragen.
Gott? Ich glaube, Du warst nie ein Kind, oder? Also nicht dass ich je davon gehört hätte. Und Du, Gott, redest ja auch nicht so viel, bist eher so ein Schweiger. Ist das vielleicht unser Problem? Folgsamkeit verlangen, aber niemals haben gehorchen müssen, Gott, Du?
Hallo?
Gott?
Ist da irgendwer?